"Der Hafen hat heute ein ganz anderes Gesicht als damals."

05. Juli 2019  Sophia S.


Im Rahmen des Hafenblogs möchten wir einige der vielen Menschen vorstellen, die auf die ein oder andere Weise mit dem Projekt verbunden sind. Heute zu Wort kommt Ralf Emmerich.

Was ist dein Job im Rahmen des Baus?
Ich dokumentiere den kompletten Bau von Anfang bis Ende fotografisch.

Was hast du vor diesem Projekt gemacht?
Meine Ausbildung zum Fotografen habe ich um 1980 in einem Münsteraner Fotostudio gemacht, davor auch mal Geografie studiert. Seit 1991 bin ich selbständig und besonders der Theaterfotografie verbunden. Inzwischen mache ich aber für eine große Bandbreite an Kund_innen und Projekten Bilder.

Wie bist du in Kontakt mit cibaria bzw. mit dem Hafenbau gekommen?
Vor 20 Jahren bekam ich eine Anfrage von Andrea Blome, damals tätig für die feministisch-theologische Zeitschrift „Schlangenbrut“: Ob ich Zeit hätte, eine Nacht lang Fotos in der „lesbisch-feministischen Vollkornbäckerei cibaria“ zu machen – das war damals noch das vorherrschende Image. Ich hatte Zeit. Und dann habe ich immer wieder mal Bilder für cibaria gemacht, u. a. über viele Jahre hinweg die Produktbilder.

Wie erlebst du das Projekt und die Beteiligten?
Dank meines Jobs bin ich ja ganz regelmäßig vor Ort und auch in engem Kontakt mit den Arbeitern auf der Baustelle. Es ist total irre, wieviel Vertrauen mir da entgegengebracht wird; das ist schon toll. Und ich lerne unglaublich viel: Inzwischen weiß ich, wie ich ohne große Hilfsmittel auf einer freien Fläche einen rechten Winkel bekomme – alles Dank des Satz des Pythagoras. Es herrscht eine besondere Atmosphäre unter Bauarbeitern, habe ich bemerkt. Letztens haben sich alle unisono darüber aufgeregt, dass es heutzutage immer weniger ausgebildeten Nachwuchs und Fachkräfte im Handwerk gibt, trotz der super Auftragslage. Das erlebt ihr in der Backstube und der Konditorei wahrscheinlich ja auch. Und die Menschen, die hier arbeiten, kommen aus aller Herren Länder. Ein weiterer Punkt: Mir fällt auf, dass viele der Männer vor Ort Themen wie Öko oder Bio eher ablehnen. Zum Beispiel habe ich einen der Arbeiter vor einiger Zeit zu seinen Essgewohnheiten befragt, warum er denn billiges Fleisch von so mieser Qualität essen würde. Dessen Antwort: „Ist doch egal, da kommt eh Ketchup drauf."

Worin unterscheidet sich die Hafenbackstube von Projekten, an denen du sonst arbeitest?
Die Arbeit auf Baustellen und auch am Münsteraner Stadthafen ist für mich wohlbekannt, unter anderem war hier früher mein Fotoatelier. Neu ist für mich die komplette Begleitung des Baus von Anfang bis Ende, sozusagen des gesamten Projekts – spannend zu sehen, wie es wächst und gedeiht. Und natürlich hat der Hafen heute ein ganz anderes Gesicht als damals.

Was steht als Nächstes auf deiner Agenda?
Ich würde gerne eine Fotoserie veröffentlichen, die mir sehr am Herzen liegt, dafür suche ich einen Verleger. Seit mehr als zehn Jahren fahre ich in den Urlaub auf Rügen. Ich habe mich sehr schnell für die total individuellen Bushaltestellen dort interessiert. Die haben die Menschen dort zu den Zeiten der DDR noch selbst gebaut, mit den Materialien, die gerade zur Verfügung standen. Diese Bauwerke sind für mich ein Sinnbild für die Geschichte der Menschen, der Gesellschaft innerhalb der DDR, die solidarisch und kreativ an Projekte und Probleme herangegangen ist … diese Geschichten möchte ich gerne erzählen, zusammen mit meinen Bildern. Mal schauen, was sich ergibt.

ralf.emilio@t-online.de
https://www.fotografie-emmerich.de/

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Über diesen Blog

Die BioVollkornBäckerei cibaria aus Münster ist im Sommer 2020 mit ihrer Backstube und Konditorei im Münsteraner Hafen vor Anker gegangen. Hier schreibt u.a. Sophia Siemes über das Zukunftsprojekt „Hafenbackstube“. Die Bilder liefert Ralf Emmerich.