Interview: Weizen oder nicht Weizen

Bei Bio-Vollkorn keine Frage

Immer mehr Menschen essen keinen Weizen, obwohl sie keine Unverträglichkeit haben. Sie sind verunsichert durch amerikanische Autoren, die aus ihrer Weizenverdammung ein lukratives Geschäft machen. Weizen mache dick und krank, behaupten sie und versprechen nebenbei ein besseres Leben mit Nahrungsergänzungsmitteln. Was aber ist wirklich dran am bösen Weizen? Nichts, sagt Susanne Poguntke, diplomierte Biologin und Märkteleiterin bei cibaria. Denn: Nicht der Weizen ist böse, sondern das, was man mit ihm macht. Und es gibt noch weitere frohe Botschaften.

Susanne, du verkaufst seit Jahren für cibaria auf den Märkten. Hat die Nachfrage nach Weizenbroten nachgelassen?

Susanne Poguntke: Da die Nachfrage nach unseren Broten insgesamt seit Jahren steigt, lässt sich das so nicht beantworten. Ich höre aber häufig eine Art diffuser Angst. „Wir wollen jetzt mal auf Weizen verzichten, der soll ja nicht so gut sein, man liest so viel“ und so weiter. Manche sind sogar so verunsichert, dass sie nur noch glutenfreies Brot kaufen, ein kostbares Spezialbrot für Menschen, die an Zöliakie, einer Erkrankung des Magen-Darm-Trakts leiden.

Was denkst du dann?

Ich finde das sehr bedauerlich. Schließlich ist nicht der Weizen selbst böse, sondern nur das, was mit ihm gemacht wird. Wir von cibaria backen mit gesundem Getreide von gesunden Böden. Wir würden nie etwas verkaufen, was potenziell schädlich ist. Wir versuchen jeden Tag das Schönste und Beste herzustellen und backen richtig gute Brote. Das geht selbstverständlich auch mit Weizen.

Wo hat der schlechte Ruf des Weizens denn seinen Ursprung?

Das geht auf eine Entwicklung in den 50er Jahren zurück. Aufgrund der großen Versorgungsprobleme züchtete man damals einen besonderen Weizen, einen, den man mit Stickstoffdünger auf Volumen und Menge brachte. Dieses Getreide war nicht nur schnell verfügbar, sondern sorgte auch für viel Masse beim Backen. Wirtschaftlich gesehen unwiderstehlich. Doch die hohe Kunstdüngergabe hat sich auf die Verträglichkeit ausgewirkt.

Also ist sowohl die Sorte des Weizens als auch die Art des Anbaus entscheidend für die Verträglichkeit?

Richtig. In der Backstube von cibaria verwenden wir ausschließlich Getreidesorten, die eigens für den Biobereich gezüchtet werden. Beim Weizen ist das zum Beispiel die Sorte Wiwa. Sie wird in Fruchtfolge mit Leguminosen angebaut, deren Wurzeln den Boden beim Umpflügen auf natürliche Weise und in moderaten Mengen mit Stickstoff anreichern und düngen. Natürlich ist die Ertragsmenge eines solchen Getreides viel geringer als beim konventionellen Turbo-Weizen.

Woher soll ich als Verbraucherin wissen, mit welcher Weizensorte mein Brot gebacken wurde?

Das ist tatsächlich schwierig. Es gibt ja auch einige alte Apfelsorten, die für Menschen mit Allergien genießbar sind. In dem Fall ist es möglich, sich am Namen der Sorte auf dem Schild oder auf der Tüte zu orientieren. Beim Weizen kann ich mich aber immerhin zwischen konventionellem Weizen und Bio-Weizen entscheiden.  

Woher beziehen die Bio-Höfe, die das Getreide für cibaria anbauen ihr Saatgut?

Nicht von großen Agrarkonzernen, sondern von kleinen Saatenbanken, die sich für Bio-Saatgut engagieren. Bei cibaria backen wir regelmäßig das „Saatgutbrot“. Dessen Einnahmen werden für die Erforschung und Züchtung biologischer Getreidesorten eingesetzt. Die Herausforderungen sind groß. Aufgrund des Klimawandels muss auch das Bio-Getreide bei uns künftig mit mehr Wärme und weniger Wasser klarkommen.

Viele Menschen, die dem Weizen misstrauen, entscheiden sich für Dinkel. Warum ist dessen Ruf so viel besser?

Dinkel kann man nicht übermäßig düngen, um übermäßig viel Ertrag zu haben. Der Dinkel macht das nicht mit, er wächst dann einfach nicht. Dafür bringt er auch nur halb so viel Ertrag und ist doppelt so teuer. Wenn der Weizen genauso gut behandelt wird wie der Dinkel, dann ist er auch genauso gut. Aber viel wichtiger als auf die Getreidesorte zu achten, ist es auf Vollkorn zu achten; natürlich aus biologischem Anbau. Mit all den guten Ballaststoffen, die Vollkorn liefert, ist man damit gesundheitlich auf der sicheren Seite. Das heißt nicht, dass man nicht mal ein Ciabatta oder ein Baguette essen kann. Aber für die tägliche Ernährung ist Vollkornbasiertes immer von Vorteil.

Welche Rolle spielt die Art und Weise, wie man Weizen backt?

Eine sehr große. Ein Faktor, der in Diskussionen immer vernachlässigt wird, ist die Zeit. Mit einem dressierten Weizen wird ein schnelles Brot gebacken, ich nenne das ein Hefe-zack-bumm-fertig-Brot. Bei cibaria hingegen arbeiten wir mit langen Teigführungen. Der Teig ruht, der Teig geht. Dies alles braucht Kompetenz und Geduld, so wie man sie schon früher hatte, um Getreide bekömmlich zu backen.

Warum ist eine lange Teigführung so wichtig für ein bekömmliches Brot?

Getreide entwickelt seine unverträglichen Stoffe, um sich gegen Fressfeinde zu verteidigen, zum Beispiel gegen den Menschen. In der Backstube werden diese Stoffe während der Fermentation mit Hefe oder Sauerteig abgebaut. Je länger die Teigführung geht, umso besser gelingt dies. Gerade Roggenbrote gewinnen sogar noch Tage nach dem Backen an Bekömmlichkeit. Und nicht umsonst hat man früher im Münsterland trockenes Weizenbrot als sogenannte ‚Knabbeln‘ in die Milch gezupft. Das ist sozusagen das Müsli des Münsterlandes.

Was sagst du zu der Aussage, dass Weizenbrot dick macht?

Ich sage: Viel Weizenbrot macht dick. Und das, was man drauf tut. Auch hier liegt man - Sorte hin, Sorte her - mit Vollkornbrot richtig. Es wird langsamer verstoffwechselt und verursacht keine gefährlichen Blutzuckerspitzen. Damit bleibt man lange satt, und selbst wenn man prä-diabetisch ist, kann man damit viel verhindern.

Wie gehst du in der Verkaufssituation mit dem Unsicherheitsgefühl gegenüber dem Weizen um?

Ich spreche mit den Menschen. Wenn ich Ihnen erkläre, dass unser Weizen anders gezüchtet ist, sich anders verhält und anders gebacken wird, probieren sie eher was aus. Sehr oft erlebe ich Leute, die dadurch rausgefunden haben: „Eigentlich vertrage ich keinen Weizen, aber euer Weizenbrot, das geht.“ Und natürlich spielt der Geschmack eine Rolle. Manchen ist der Roggen einfach zu sauer, andere mögen keinen Dinkel. Tatsächlich leben wir in der großartigen Situation, ein Brot nicht mögen zu können, da sind wir doch sehr privilegiert. Ich sehe das voller Dankbarkeit. 

Was denkst du, motiviert Menschen den Weizen so schlecht zu machen?

Folge der Spur des Geldes, das wusste schon Miss Marple. Ich wünschte nur, die Leute würden sich etwas genauer informieren, nicht nur ein einziges Buch lesen und ihren gesunden Menschenverstand nicht vergessen.

Dein persönliches Lieblingsbrot von cibaria?

Das Eifeler ist mir gerade sehr sympathisch. Ein einfaches Roggenmischbrot, lecker mit Ziegenkäse oder selbst erfundenen Brotaufstrichen. Das HaferKürbisBrötchen finde ich so lecker, dass ich es auch gerne pur esse.

 

Interview: Susanne Sparmann