Was bedeutet ein Lebensmittel für uns?

Claras Jahr in der Slow Food Youth Akademie

Unsere duale Studentin Clara Bobbert hat 2021 an der Slow Food Youth Akademie teilgenommen. Dabei hat sie viel über unser Lebensmittelsystem im Allgemeinen und dessen Herausforderungen im Speziellen gelernt. In diesem Bericht nimmt sie uns mit auf ihren Tauchgang in die Ernährungsbranche.

Was bedeutet ein Lebensmittel für uns? Mit dieser und der Frage, wie es unserem Ernährungssystem derzeit geht, durfte ich mich im vergangenen Jahr intensiv beschäftigen. Von März bis einschließlich September 2021 war ich Teilnehmerin der Slow Food Youth Akademie.

Slow Food, das durfte ich in den letzten Monaten vielen erklären, ist ein weltweit agierender Verein, der sich für gute, saubere und faire Lebensmittel einsetzt - vom Feld bis auf den Teller. Dabei steht gut für den Genuss, der jede Mahlzeit sein sollte. Saubere Wertschöpfungsketten sollen unserem Ökosystem und der Umwelt nicht schaden. Fair dient als Schlagwort für soziale Gerechtigkeit, auf die in Herstellung und Handel geachtet werden soll.

Die Jugendbewegung dieses Vereins, der sich in Italien gegründet hat, organisiert jedes Jahr ein Bildungsprogramm: die Slow Food Youth Akademie. Hier bin ich an acht Themen-Wochenenden mit anderen jungen Leuten zwischen 18 und 25 zusammengekommen. Durch die Akademie hatten wir die Möglichkeit, unser Wissen u. a. in den Bereichen „Globaler Handel“, „Neue Gastronomie“, „Biokulturelle Vielfalt“ und „Fisch für die Zukunft“ stark zu vertiefen. Schon die Themen zeigen: Vielfalt ist das Wort, das meine Akademie-Zeit treffend beschreibt.

Neben mir als dualer Studentin „BWL-Food Management“ haben 24 Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen teilgenommen, z. B. ein Physiker, Koch-Azubis, eine Studentin der Landschaftsökologie. Uns alle vereinen die Leidenschaft für Lebensmittel und der Wunsch nach einem Ernährungssystem, das die Slow-Food Prinzipien erfüllt.

Coronabedingt mussten die ersten vier Wochenenden online stattfinden. Umso spannender war es, alle Teilnehmer*innen nach vier Monaten live zu erleben und zu merken, dass man, beim Kennenlernen nur über Kamera die Körpergröße oft ganz falsch eingeschätzt hatte.

Gemeinsam haben wir in den kommenden vier Monaten verschiedenste Orte in Deutschland entdeckt: den Ort Leberfing im Osten Bayerns. Die kleine Lotseninsel in der Schlei, Ostsee. Das Schloss Kirchberg hoch über der Jagst in Schwäbisch-Hall. Immer wurden wir mit einem einführenden Vortrag über das jeweilige Thema und seine Herausforderungen begrüßt. Die Wochenenden bestanden aus einem Mix von Workshops, Hof-Besuchen oder Vorträgen, während derer wir tiefer einsteigen konnten und Lösungsansätze kennengelernt oder selbst erarbeitet haben.

Die drei Tage waren jedes Mal ein Wechselbad der Gefühle für mich. Oft bin ich an Beschreibungen darüber, wie zerstörerisch unser Ernährungssystem ist, verzweifelt. Die Ernährungsindustrie gehört zu den Sektoren, in denen es weltweit zu den meisten Menschenrechtsverletzungen kommt. In der industriellen Tierhaltung werden Tiere auf engstem Raum gehalten und meist mit importiertem Kraftfutter ernährt. Durch die industrielle Landwirtschaft gehen jährlich Millionen Hektar fruchtbaren Bodens verloren.

Was mir weiterhin Hoffnung macht sind die Menschen, die ihre Energie dafür einsetzen, dass bäuerliche Landwirtschaft, traditionelles Handwerk und regionale Arten- und Sortenvielfalt erhalten bleiben – sie haben die Akademie für mich zu etwas Besonderem gemacht. Zum Beispiel die 75-Jährige Luise Wirsching, die uns den Schnitt von Obstbäumen gezeigt hat und dafür sorgt, dass alte Apfelsorten erhalten bleiben. Oder Stefan Johnigk, der Richtlinien für eine tierschutzgerechte Aufzucht von Fischen definiert hat und sich mit seinem Initiativkreis dafür einsetzt, dass diese branchenweit zum Standard werden.

Zum Schluss greife ich noch einmal die Frage aus dem Titel auf: was bedeutet ein Lebensmittel für uns?

Mir ist über diese Zeit noch stärker klar geworden, dass ein Lebensmittel für mich auch Verantwortung bedeutet. Indem ich nur solche konsumiere, deren Anbau und Verarbeitung ich erhalten möchte, versuche ich, diese wahrzunehmen.

Vielleicht konnte ich auch Sie und Euch einladen, sich eingehender mit diesem Thema zu beschäftigen.

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Wer Lust auf mehr hat, findet hier den Link zu Slow Food und der Akademie.

Außerdem haben wir noch Platz für einen dualen Studienplatz bei cibaria! Wer mehr Infos möchte, gelangt hier zur Ausschreibung.

Fotos: (c) Slow Food Archiv