Miteinander anders Handel treiben

Mit einem kleinen Bioladen fing Michael Radau 1982 als Naturkost-Einzelhändler an. Heute ist er Vorstand der Superbiomarkt AG mit inzwischen 16 Filialen in NRW und Niedersachsen.

 

Der erste Superbiomarkt wurde 1993 eröffnet, inzwischen gibt es 16 Märkte in NRW und Niedersachsen. Wissen die Kunden eigentlich noch, dass Sie 1982 mal mit dem kleinen Bio-Laden Kornblume angefangen haben?

Hier in Münster ist das zumindest bei langjährigen Bio-Kunden bekannt, in anderen Städten nicht so. Aber was sollte es auch einem Kunden in Herford bedeuten, dass Michael Radau das Brot früher noch selbst abgeholt hat?

Was bedeutet diese Vergangenheit denn für Sie als Unternehmer?

Das bedeutet für mich sehr viel. Ich habe die Gewissheit, dass ich in den allermeisten Bereichen weiß, wovon ich rede.

Wie fiel die Entscheidung: Wir machen nicht mehr nur Bioladen, sondern wir machen einen Supermarkt für Bio?

Seit 1982 bin ich in dieser Branche, 1985 habe ich mich selbstständig gemacht. Damals, nach Tschernobyl, gab es eine Phase, wo ein Wandel passierte: Andere Bevölkerungsgruppen fingen an, sich Gedanken über ihre Ernährung zu machen und kauften Bio-Produkte. In diese Phase fiel auch die Fusion von Kornblume mit dem Biogarten, das Unternehmen wurde also schon größer. Die Überlegung war: Wenn immer mehr Menschen sich grundsätzlich für Bio interessieren, dann muss ich die Leute mitnehmen in Prozesse, die sie kennen.

Supermarkt kannten sie.

Ja, das war der Supermarkt mit seinen Einkaufsvorteilen. Alles an einem Ort finden, schnell einkaufen und Fachabteilungen mit  gut ausgebildetem freundlichem Personal. Gleichzeitig ist es weniger eng und ein bisschen anonymer als im kleinen Bioladen.

Nach dem Supermarkt war die AG-Gründung 2001 in der Bio-Szene dann der nächste Tabubruch, oder?

Ich habe mich nie um Tabus gekümmert. Es gab bei der AG-Gründung schon warnende Stimmen, die sagten: Überleg dir das gut, der formale Aufwand ist enorm. Solche Hinweise nehme ich ernst. Denn es stimmt und doch würde ich es immer wieder so machen.

Um schneller wachsen zu können?

Nein, das Motiv war ein anderes. Wir haben eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung und die sollte als Aktienausgabe erfolgen. Das ist in einer GmbH sehr schwierig und deshalb habe ich die AG gegründet. Letztlich sind wir dann doch nicht dort gelandet, weil die Form der Handelbarkeit und die Preisfindung außerbörslich sehr schwierig ist. Die Mitarbeiter werden jetzt über Genussscheine beteiligt. Aber die AG hatte noch einen anderen, ungeplanten Effekt und zwar eine andere gesellschaftliche Wahrnehmung.

Aber mit der AG kam doch auch Geld ins Unternehmen.

Es kam kaum Geld ins Unternehmen. Die meisten Aktien gehören mir.

Wer sind die Anteilseigner bei der Superbiomarkt AG?

Es gibt noch einen kleinen Anteil einer Schweizer Holding. Als wir expandieren wollten und die Sparkasse nicht bereit war, das zu finanzieren, haben wir die Asi Nature Holding gewonnen. Aber das werden wir mittel- oder auch kurzfristig verändern. Ich habe jetzt eine qualifizierte Dreiviertel-Mehrheit und das ist auch gut so.

Kleine Bioläden sagen auf die Frage, wie sehr ihnen der Trend zu Bio-Produkten im konventionellen Handel Sorge bereitet: Wir punkten mit persönlicher Beratung. Sie konkurrieren als Supermarkt mit Supermärkten - ist das nicht ungleich schwieriger?

Das ist schwieriger und leicht zugleich. Im Wettbewerb der Supermärkte muss ich permanent hinterfragen, was biete ich an Mehrwert? In einem kleinen Laden wird es Ihnen eher verziehen, wenn mal etwas nicht da ist, in einem Supermarkt nicht. Leicht ist es, weil regiebetriebene Supermärkte in der Regel ein Manko haben was die Identifikation der Mitarbeiter und die Freundlichkeit angeht. Kunden sind bereit, mehr für eine Gurke oder eine Tomate zu bezahlen, wenn das Gesamtpaket für sie stimmt.

An der Warendorfer Straße gab es Protest von Seiten der kleinen Händler gegen die Eröffnung eines Superbiomarkts. Wie trifft Sie diese Kritik?

Mich trifft das in der Art, wie das gemacht wurde. Dass ich falsch zitiert wurde, als ich frühzeitig in der Planung Kontakt aufgenommen habe. Ich suche schon seit Jahren nach einem Ladenlokal in dem Viertel und wollte das verträglich miteinander gestalten. Die Einschätzung, dass es hier jetzt zu einem Verdrängungswettbewerb kommt, die teile ich nicht. Wenn ich davon überzeugt wäre, dass der Biomarkt nicht mehr wachsen kann, dann würde ich mein Unternehmen morgen verkaufen. Wir haben zurzeit 5, vielleicht 6 Prozent Anteil im Lebensmittelmarkt. Ich kann mir durchaus 10, 12 oder auch 20 Prozent vorstellen. Man muss nicht gegeneinander, man kann auch miteinander anders Handel treiben.

Sehen Sie sich in solchen Situationen in Konflikt zwischen Ihrer Rolle als Geschäftsmann und Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes?

Als Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes bin ich nicht verantwortlich für die wirtschaftliche Situation der Unternehmen, sondern dafür, dass mit der Politik und der Verwaltung Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für den Einzelhandel generell zuträglich sind. Wenn man nicht will, dass ich im Wettbewerb als Einzelhändler auftrete, dann darf man für diese Funktion keinen Einzelhändler mehr nehmen. Warum sollten im Naturkosthandel so andere Rahmenbedingungen herrschen? Auch der Naturkosthandel muss sich den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen.

Wenn Sie als Bio-Unternehmer einem Verband wie diesem vorstehen, verändert der sich dadurch?

Oh, das hoffe ich doch ganz stark! Mit 1.600 Mitgliedsunternehmen ist das ein langer Prozess, aber man kann kleine Bewusstseinsspitzen für nachhaltigen Handel schüren. Es gibt jetzt in Dortmund die erst Fair-Messe, die wir als Verband unterstützen. Wir haben versucht, über einen Veranstaltung Namens „Trialog" mit Politik, Verwaltung und Handel Themen wie ehrliche Nachhaltigkeit deutlich zu machen. Der andere Bereich ist die Mitarbeiterqualifizierung und -wertschätzung. Im Handwerk kennen Sie das: Da gibt es für die Auszubildenden eine feierliche Lossprechung, im Einzelhandel gab es das bislang nicht. Wir wollen auch die Auszubildenden des Handels einmal jährlich feierlich verabschieden. Zuletzt waren 700 Gäste, davon rund 400 Azubis in der Halle Münsterland. Damit können wir auch für den Beruf Einzelhandelskauffrau oder -mann mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erreichen.

Jetzt ist cibaria-Brot in Münster im Sortiment der Superbiomärkte. Was spricht für cibaria-Brot?

In Hiltrup haben wir aufgrund der Geschichte ja schon lange cibaria im Sortiment. In den anderen Filialen hatten wir bis zum vergangenen Jahren ein Shop-in-Shop mit dem Steinofenbäcker. Da wir die Backwaren jetzt wieder in Eigenregie haben, gab es auch die technische Möglichkeit, einen anderen Bäcker dazuzunehmen. cibaria hat einen hervorragenden Ruf für hochwertige Backwaren in Münster. Es war für mich wünschenswert, dass wir als Marktführer im Biohandel in Münster mit der Bäckerei zusammenarbeiten, die einen sehr guten und  bekannten Namen hat.

www.superbiomarkt.de